Anhörung über Digitale Identitäten
Am Montag, 4. Juli 2022, kam es zu einer Anhörung des Ausschusses für Digitales zum Thema „Digitale Identitäten“. Grund für die Anhörung ist ein Änderungsvorschlag des Europäischen Parlaments und des Rates zur Revision der eIDAS Verordnung. Mit Kim Nguyen (D-Trust), Dr. Marian Margraf (FU Berlin), Peter Parycek (Fraunhofer FOKUS) und Christian Kahlo nahmen vier Mitglieder des VSDI an der Anhörung teil.
Hier können Sie die Anhörung nachschauen.
BSI für Erweiterung der Nutzungsmöglichkeiten
Nach BSI-Vertreterin Silke Bargstädt-Franke verfolge die Bundesregierung die Weiternutzung und –entwicklung des vorhandenen eID-Systems. Die eID-Infrastruktur des vor über zwölf Jahren erschienen neuen Personalausweises (nPA) solle um weitere Nutzungsmöglichkeiten erweitert werden. Zusätzlich zu einer ID-Funktion für das Smartphone, soll die Infrastruktur um eine Smart-eID-Funktion sowie eine Wallet-Funktion für weitere Nachweise ergänzt werden. Das BSI betont jedoch die notwendige Einhaltung rechtlicher und sicherheitstechnischer Vorgaben der bestehenden Datenschutz- und IT-Sicherheitsstandards.
Kommunikationsprobleme und geringe Anwendungsmöglichkeiten
Neben dem nicht erkannten Potential und fehlenden Verständnis über den nPA, sei die Streichung der Mittel für die Öffentlichkeitsarbeit rund um die technischen Vorzüge der eID ein Beitrag zu den geringen Nutzerzahlen, so Christian Kahlo, Vertreter der netzpolitischen Zivilgesellschaft. Er kritisiert die Finanzierung sogenannter Buzzwordtechnologien (SSI, Blockchain etc.), da ein Bruchteil der Gelder für eine Kommunikation der technischen Potentiale des nPA ausreichen würden.
Ähnlich formuliert es Ulrich Kelber, Bundesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit. Die geringe Nutzung der eID-Infrastruktur lege nicht an Auswirkungen datenschutzrechtlicher Anforderungen, sondern viel mehr an „jahrelang fehlender PR für dieses ambitionierte Projekt“.
Chaos Computer Club (CCC): Praktikabilität
Carl Fabian Lüpke vom CCC fordert eine kurzfristig umsetzbare praktische Nutzbarkeit des eID-Systems, statt einer Finanzierung von SSI-Projekten und den darauf basierenden ID Wallet Apps. Diese wiesen strukturelle Sicherheitsschwachstellen und mangelhafte Leistungsfähigkeit auf.
Die eID des Personalausweises sei hingegen eine der weltweit technologisch sichersten und ausgereiftesten Identitätslösungen und –infrastrukturen, so Isabel Skierka von der European School of Management and Technology (ESMT). Es müsse jedoch ein Ökosystem für digitale Identitäten geschaffen werden, welches eine einfache Nutzung und breite Anwendung durch die Berücksichtigung von aktuellen Bedürfnissen der Nutzer und Anwendungsanbieter garantiert.
Angebot digitaler Verwaltungsleistungen als Voraussetzung
Eine deutliche Vereinfachung von Prozessen sei hierbei eine wichtige Voraussetzung für höhere Nutzungszahlen, sagte Marian Margraf vom Institut Fraunhofer AISEC. Da hierfür jedoch eine große Anzahl an Dienstleistungen bereitstehen müssten, könnte das Online-Zugangsgesetz als Treiber fungieren, da es Länder und Kommunen verpflichtet, Verwaltungsleistungen zu digitalisieren. Studien vom Institut zeigten: Die Bürger würden digitalen Identitäten positiv gegenüberstehen, jedoch die geringen Anwendungsfälle kritisieren.
Ein nicht genutztes hochsicheres System könne, so Peter Parycek vom Institut Fraunhofer FOKUS, zu einem unsicheren gesellschaftlichen Gesamtsystem führen. Deshalb sei es wichtig, ein Gleichgewicht zwischen technischer Sicherheit und Benutzerfreundlichkeit zu finden.
Kim Nguyen: Einheitliche EU-Lösung nicht in Sicht
Kim Nguyen, Geschäftsführer bei D-Trust, sprach sich dafür aus, die gut etablierte und einfach nutzbare eID-Funktion des Personalausweises für Verwaltung und Wirtschaft zu fördern und die Nutzerfreundlichkeit über die Smart eID im mobilen Kontext zu verbessern.
Eine einheitliche EU-Lösung sei nicht abzusehen. Um jedoch auf spätere europäische Projekte reagieren zu können, sollte der Bund eine nationale hoheitliche Rolle mit der Smart eID als Kernidentität aber mit offenen Schnittstellen als nutzbare Referenzimplementierung zur Verfügung stellen.
Der VSDI verfolgt mit großem Interesse den nun vorgelegten Entwurf über die Digitalstrategie der Bundesregierung und seine Auswirkung auf digitale Identitäten.